19. Januar 2007

Stoiber verleiht Bayerischen Filmpreis: Ehrenpreis an Michael Verhoeven & Produzentenpreis für den besten Film des Jahres an „Wer früher stirbt ist länger tot“

Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber verleiht heute im Rahmen einer festlichen Galaveranstaltung im Münchner Prinzregententheater zum 28. Mal den Bayerischen Filmpreis. Der ‚Bayerische Oscar’ ist eine der begehrtesten und renommiertesten Auszeichnungen der deutschen Filmbranche. Stoiber: „Der Bayerische Filmpreis ist das Aushängeschild des Film- und Medienstandorts Bayern. Die begehrten Preise sind herausragende Markenzeichen Bayerns für Kultur und Filmkunst. Das Jahr 2006 hat das internationale Renommee deutscher und bayerischer Filmschaffender weiter gestärkt, was sich an der Vielzahl internationaler Auszeichnungen zeigt. Ich freue mich sehr, dass bayerische Produktionen wie ‚Das Leben der Anderen’, ‚Wer früher stirbt ist länger tot’ und ‚Das Parfum’ an diesen Erfolgen einen wesentlichen Anteil hatten.“

Der Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten geht in diesem Jahr an den Schauspieler, Autor, Regisseur und Produzenten Dr. Michael Verhoeven für dessen Lebenswerk. Stoiber: „Michael Verhoeven verbindet wie kein anderer politischen Anspruch, höchste künstlerische Qualität und großes Ansehen beim Publikum. In den fast vierzig Jahren seines Wirkens hat er ein umfassendes Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht.“

Als bester Film des Jahres 2006 wird der neue bayerische Heimatfilm „Wer früher stirbt ist länger tot“ mit dem begehrten Produzentenpreis ausgezeichnet. Für diesen originellen und ungewöhnlichen Film erhält das bayerische Regietalent Marcus H. Rosenmüller zudem den Nachwuchsregiepreis.

Nachfolgend die Namen aller Preisträger und die Begründungen der Jury:

1. Produzentenpreis (dotiert mit 200.000 Euro) an Dr. Andreas Richter, Annie Brunner und Ursula Woerner (Roxy Film) für die Produktion des Films „Wer früher stirbt ist länger tot“.

Gleich der erste Kinofilm „Wer früher stirbt ist länger tot“ der Roxy Film von Andreas Richter, Ursula Woerner und Annie Brunner wurde zu einem durchschlagenden Erfolg bei Kritik und Kinopublikum. Mit dieser erfrischenden, humorvollen Sommerkomödie mit Tiefgang und Herz wurden nicht nur in Altbayern junge wie ältere Zuschauer in seinen Bann gezogen; ein Heimatfilm jenseits aller Klischees und gleichzeitig ein Genremix, der Fantastisches und Surrealistisches mit bayerischem Humor und Schlitzohrigkeit zu einem herausragenden Gesamtkunstwerk verbindet. Mit einem genialen Drehbuch von Marcus H. Rosenmüller und Christian Lerch, einer überzeugenden Regieleistung von Marcus H. Rosenmüller und mit einem überzeugenden Schauspielerensemble ist ein Film entstanden, der für jeden Besucher zu einem ganz besonderen Kinoerlebnis wird.

2. Regiepreis (dotiert mit 10.000 Euro) an Tom Tykwer für seinen Film „Das Parfum“.

Nach dem gleichnamigen Roman von Patrick Süskind um den mit einem außergewöhnlichen Geruchssinn ausgestatteten Autisten und Mörder Jean-Baptiste Grenouille hat Regisseur Tom Tykwer eine ins Phantastische gehende, pompöse Romanverfilmung geschaffen, deren Elemente er mit seiner hervorragenden Regieleistung zu einem erlebenswerten Ganzen zusammengefügt hat. Hier stimmt einfach alles: die durchweg guten schauspielerischen Leistungen, die sehr echt nachempfundenen Pariser Stadtschauplätze, die eindrucksvollen Massenszenen, die üppige zeitgerechte Ausstattung, die herausragende Kameraarbeit und Ausleuchtung sowie die von Tykwer mit arrangierte und von Sir Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern dargebotene Musik. Dafür gebührt ihm der Bayerische Filmpreis für die beste Regie.

3. Nachwuchsregiepreis (dotiert mit 10.000 Euro) an Marcus H. Rosenmüller für „Wer früher stirbt ist länger tot“.

Marcus H. Rosenmüller ist die bayerische Regieentdeckung des Jahres 2006. In seinem Debütfilm „Wer früher stirbt ist länger tot“, bei dem er neben Christian Lerch auch als Co-Autor mitwirkt, erzählt er auf originelle Weise die Geschichte des elfjährigen Sebastian. Mit der Kraft und der Naivität barocken Welttheaters, dabei aber stets mit der Liebe zum bayerischen Menschenschlag, prägt Rosenmüller auf unvergleichliche Weise seinen Film. Rosenmüller schafft Räume mit ganz eigenem Zauber, lässt seine Figuren bayerisch granteln, dabei das Herz voller Liebe und Sehnsucht und immer mit den besten Absichten dem Leben zugewandt. Dass er dabei Jung und Alt so selbstverständlich vereint und so scheinbar mühelos beide voneinander lernen lässt, versetzt den Zuschauer in freudiges Staunen.

4. Darstellerpreis weiblich (dotiert mit 10.000 Euro) an Monica Bleibtreu für die Rolle der Pianistin in dem Film „Vier Minuten“.

Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, begegnen sich in dem komplexen und emotionalen Film „Vier Minuten“ von Chris Kraus - eine Begegnung, die für Darstellerinnen und Zuschauer aufwühlender nicht sein könnte. Monica Bleibtreu spielt eine greise Pianistin, die im Frauengefängnis Klavierunterricht erteilt und an die hochtalentierte, aber verschlossene und unberechenbar gewalttätige Jenny gerät. Die Musik wird zum Schauplatz der Auseinandersetzung der Beiden. Keinen Zentimeter weicht die fragile Lehrerin vor dem aggressiven Mädchen zurück. Es ist faszinierend zu sehen, wie Monica Bleibtreu ihre Spielfreude und ihr Temperament auf einen Punkt zentrieren kann und so diese unnachgiebige Lehrerin schafft, bei der man das Gefühl hat, dass etwas unter der Oberfläche brodelt. Es gehört zu den ergreifendsten Momenten des Films, wenn diese beherrschte alte Dame anerkennt, dass auch sie die Begegnung mit Jenny verändert hat und sie bereit ist, für ihren Schützling rückhaltlos einzustehen. Wie es Monica Bleibtreu schafft, dass ihrer preußischen Klavierlehrerin am Ende die Herzen zufliegen, ist ihr Geheimnis ... und ihre Kunst.

5. Darstellerpreis weiblich (dotiert mit 10.000 Euro) an Katharina Thalbach für ihre Darstellung der „Agnieszka“ in „Strajk – Die Heldin von Danzig“.

Katharina Thalbach erinnert mit ihrer großartigen Darstellung der fleißigen, geradlinigen und vertrauensvollen Arbeiterin Agnieszka auf der Danziger Werft daran, dass es einfache Menschen, „Alltagshelden“, waren, die eine gewaltige politische Bewegung ins Rollen brachten. Um die Geburtsstunde der Solidarnosc geht es und um die Entwicklung einer mutigen Frau, die durch die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen zu einer selbstbewussten Mitkämpferin um eine unabhängige Gewerkschaft in Polen wird. Katharina Thalbach ist eine der wenigen Schauspielerinnen, die eine solche anspruchsvolle Rolle mit so viel Glaubwürdigkeit, Klugheit und Intensität spielen können. Katharina Thalbachs Agnieszka ist viel mehr als eine „starke Frau“, sie ist eine wahrhaft große Frau.

6. Darstellerpreis männlich (dotiert mit 10.000 Euro) an Jürgen Vogel für seine Rolle des Autoverkäufers Max in dem Film „Emmas Glück“.

Jürgen Vogel, einer der bekanntesten und meistbeschäftigten Kinoschauspieler Deutschlands verkörpert - scheinbar zeitlos - seit vielen Jahren den jugendlichen Rebell, der nicht nur durch seine körperliche Vitalität, sondern auch durch seine lockere Zunge und seine frechen Sprüche auffällt. In dem Film „Emmas Glück“ zeigt Jürgen Vogel seine andere Seite: eine verwundete, vom Leben Abschied nehmende und dabei doch so kämpferisch noch dem Leben zugetane Seite. Jürgen Vogel spielt seine Rolle unsentimental und doch voller Zärtlichkeit, wortkarg und doch voller Witz, zerbrechlich und todesnah und doch voller Lebenskraft. Es ist die Balance des scheinbar Widersprüchlichen, was Jürgen Vogel in „Emmas Glück“ zu einem ganz besonderen Schauspieler macht. Jürgen Vogel meistert den schmalen Grat zwischen Humor und Tragik mit wunderbarer Leichtigkeit.

7. Nachwuchsdarstellerpreis, weiblich (dotiert mit 10.000 Euro) an Hannah Herzsprung für die Rolle der Jenny in dem Film „Vier Minuten“.

Hannah Herzsprung ist mit der Rolle der aggressiven und innerlich zerrissenen Jenny ein fulminantes Debüt geglückt. Atemlos verfolgt man ihre rückhaltlos gewalttätigen Ausbrüche und Kämpfe und staunt über ihre selbstverständliche Hingabe beim Klavierspiel. Man hat Angst vor ihr... und Angst um sie. Man sieht ihre Zerstörungslust und ahnt doch, wie viel Selbstzerstörung in ihrer Wut steckt. Selbst wenn sie lächelt, vergisst man nicht ihre Unberechenbarkeit. Eine zutiefst zerrissene, wilde junge Frau. Die Leidenschaft, mit der Hannah Herzsprung die Jenny spielt, ist in jedem Moment absolut glaubwürdig und wahrhaftig. Für ihre ergreifende Leistung spricht ihr die Jury den Preis als beste Nachwuchsdarstellerin zu.

8. Drehbuchpreis (dotiert mit 10.000 Euro) an Chris Kraus für seinen Film „Vier Minuten“.

Es ist ein ungewöhnliches und packendes Duell, das Drehbuchautor und Regisseur Chris Kraus in seinem Film „Vier Minuten“ erzählt. Der Kampf einer alten Klavierlehrerin mit einer hochbegabten Schülerin, die wegen Mordes lebenslang einsitzt. Während der Vorbereitungen auf einen Pianistenwettbewerb, der für beide die letzte große Chance im Leben sein könnte, verstricken sich ihre Biographien unheilvoll miteinander. Musik ist die Waffe und gekämpft wird um Achtung, Würde, Selbstvertrauen. Das Drehbuch ist effektvoll und spannend gebaut und erlaubt den beiden Protagonisten überzeugende Darstellungen komplexer, vielschichtiger Charaktere.

9. Dokumentarfilmpreis (dotiert mit 10.000 Euro) an Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler für den Film „Havanna – Die neue Kunst, Ruinen zu bauen“.

Der Film-Essay von Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler über die zerfallenden Häuser von Havanna und die Menschen, die in ihnen wohnen, überzeugt vor allem durch seine visuell faszinierende Beweisführung der paradoxen These, dass es gerade die Ruinen sind, auf die sich das kubanische System stützt. Dabei verfallen Borchmeyer und Hentschler nicht der verlockenden Poesie des Moribunden, sondern feiern die erstaunliche, nostalgiefreie Vitalität der Ruinenbewohner.

10. Bester Jugendfilm (dotiert mit 10.000 Euro) an Gregor Schnitzler für den Film „Die Wolke“.

Kinofilmangebote für Kinder und Familien gibt es inzwischen viele in hoher Qualität, gute Jugendfilme speziell für die Altersgruppe zwischen 12 und 18 Jahren dagegen eher weniger. Gregor Schnitzlers „Die Wolke“ ist ein solcher Film, der nach dem gleichnamigen Jugendroman von Gudrun Pausewang das komplexe und schwierige Thema eines atomaren Unglückfalls vielschichtig und anschaulich, dabei aber immer behutsam und verantwortungsbewusst als ebenso packende wie stimmige Filmerzählung für junge Kinobesucher präsentiert. Diese herausragende Regiearbeit, unterstützt von einer überzeugenden Darstellerleistung der jungen Protagonisten, verdient ebenso Anerkennung wie der Mut der Clasart Filmproduktion, das unbequeme Thema aufzugreifen und filmisch umzusetzen.

11. Spezialpreis der Jury (dotiert mit 10.000 Euro) an Joseph Vilsmaier und Dana Vávrová für ihren Film „Der letzte Zug“.

Mit dem Transport von 688 Berliner Juden nach Auschwitz soll Hitler ein Geburtstagsgeschenk gemacht werden. Der Film schildert, im Wesentlichen auf das Geschehen in einem der Güterwagen und auf verschiedene Einzelschicksale konzentriert, diese Reise in den Tod. Die Ungewissheit, der Hunger, die Enge und die damit verbundenen schrecklichen hygienischen Bedingungen, die Grausamkeit sowie der Zynismus der Bewacher, die Krankheiten und Zusammenbrüche, einige tödliche Fluchtversuche, das vergebliche Hoffen, schließlich die Todeserwartung und die Todesangst – all dies wird, meist in der klassisch-dramaturgischen Einheit von Zeit und Ort, erschütternd und glaubhaft gezeigt. Es ist ein wichtiger und gelungener Versuch des Gedenkens, der auch dazu beitragen will, dass nichts dem Vergessen anheim fällt. Joseph Vilsmaier und Dana Vávrová wird für das historische Bemühen, für die mit dem Thema verbundene ideelle Grundhaltung und für die gemeinsame Regieleistung der Sonderpreis der Jury zuerkannt.

12. Beste Ausstattung (dotiert mit 10.000 Euro) an Uli Hanisch für die Szenenbilder in „Das Parfum“.

Der Film „Das Parfum“ fußt auf einem um 1750 spielenden Roman. Ein zeitgenössisches Ambiente herzustellen war demnach wesentlicher Bestandteil des Projekts. Uli Hanisch hat diese Aufgabe glänzend gemeistert und ausdrucksvolle Bilder entwickelt, die den Zuschauer nach wenigen Augenblicken glaubhaft in das Paris des 18. Jahrhunderts entführen. Die ärmlichen Pariser Stadtviertel, in denen Tom Tykwers und Bernd Eichingers Film seinen Anfang nimmt, die mit Schmutz und Unrat überhäuften Straßen, der Fischmarkt jener Zeit, die stilistisch stimmigen Interieurs sind zu einem ansehnlichen historischen Ganzen zusammengefügt. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass ohne die Arbeit Hanischs und seines Teams der Film nicht so anschaulich geworden wäre, wie er es ist. Dafür gebührt ihm großes Lob und der Bayerische Filmpreis.

13. Preis für die beste Bildgestaltung (dotiert mit 10.000 Euro) an Andreas Höfer für Volker Schlöndorffs Film „Strajk – Die Heldin von Danzig“.

Andreas Höfer hat es in eindrucksvoller Weise geschafft, eine Symbiose zwischen den Spielfilmszenen und den Dokumentaranteilen zu erschaffen, in dem er die Stilelemente des Epischen mit dem des Dokumentarfilms verschmilzt. Dabei hat er nie die Darsteller aus den Augen verloren, was sich bei den Nahaufnahmen in hervorragender Weise zeigt. Er bleibt immer nah an den Protagonisten und an dem Geschehen und stellt damit eine Unmittelbarkeit her, die den Zuschauer direkt in den Film einbezieht.

14. Preis der Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken (VGF, dotiert mit 60.000 Euro) an Meike und Alexandra Kordes für den Film „Vier Minuten“.

Neben den staatlich dotierten Priesen vergibt auch in diesem Jahr die VGF einen mit 60.000 Euro dotierten Preis an einen Nachwuchsproduzenten. Der Preis geht an Meike Kordes und Alexandra Kordes für den Film „Vier Minuten“. „Vier Minuten“ ist der erste Kinofilm mit dem sich die junge Produktionsfirma national und international vorstellt.

15. Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für Dr. Michael Verhoeven.

Michael Verhoeven zählt zu den großen Filmemachern in unserem Land. In fast vierzig Jahren filmischen Arbeitens als Schauspieler, Autor, Regisseur und Produzent hat er ein umfassendes Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht. Für seine kompromisslosen Regiearbeiten wie „Paarungen“, „Die weiße Rose“, „Ein schreckliches Mädchen“ und „Mutters Courage“ wurde er mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Verhoeven ist ein Filmemacher mit hohem gesellschaftskritischem Anspruch, ein Aufklärer und mutiger Humanist, der in seinen Filmen versucht, die Wahrheit offen zu legen, so zuletzt in seiner aufwühlenden Dokumentation „Der unbekannte Soldat“. Die Jury des Bayerischen Filmpreises würdigt sein bisheriges filmisches Gesamtwerk mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises 2006.

Quelle: Bayerische Staatskanzlei

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